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Filo Rings

19. Februar 2022
Spatz und Sperber

Vor 2 Tagen beobachtete ich vor meinem Wohnzimmerfenster wie “mein” Eichhörnchen sich beim Verzehr einer Walnuss erschreckte und schnell und selbstbewußt über das Garagendach flüchtete. Den Grund erkannte ich unmittelbar, ein kleiner, grauer Raubvogel kam mit erbeuteter Maus um die Ecke geflogen. Er segelte langsam und ruhig auch die engen Häuserfluchten unter dem Rotahornbaum des Nachbarn vorbei. Fast zum Greifen nahe, doch mit Kamera durch Glas zu folgen, dafür war die Situation viel zu schnell vorbei.
Nur einen Tag später ergab sich noch eine Gelegenheit, ich fotografierte wieder mein Eichhörnchen beim Nussraub, im Garten unter mir vergnügten sich gerade lautstark die Spatzen über dem Gebüsch. Wie ein grauer Blitz war er da, der Sperber und schlug einen unvorsichtigen Spatz in der Luft.

Der Vogel drückte sein Opfer zu Boden auf der Wiese, leider den Rücken zu mir gewandt. Doch dagegen kann ein Fotograf nichts tun, auch nicht gegen die schräge Perspektive von oben. Die ist nicht wirklich ideal. Ich muß hier allerdings zugeben, dass ich selten ein Freund der bodennahen Fotografie bin, nicht nur weil ich da in meiner Bewegung eingeschränkt bin, sondern auch besonders weil auf dem Boden immer 1000 Dinge stören, vom Gras angefangen, herumliegende Äste, nervige Hintergründe und so vieles mehr. So dass man die Tiere selten wirklich klar herausstellen kann.
Ich weiß nicht, wie manche das tricksen, denn ausser auf dem Wasser, auf der Straße, in der Wüste und im Gebirge mit abfallendem Gelände, kann ich mir da kaum optimale Bedingungen vorstellen.
Es beginnt ja schon bei Blümchen, die nur sehr selten so frei stehen, wie sie in Fotos meistens dargestellt werden. Also bei mir ist alles echt, ich habe keinen Taschenrasenmäher dabei und bereite keinen Fotoplatz vor.
Ich hatte die Sony A1 mit 2.8/70-200 mm GMII und TC2x am Motiv und mein Fenster offen, also abgesehen von der erhöhten Perspektive, die besten, technischen Bedingungen.
Was mich erschreckte, wie lange der kleine Sperber den noch kleineren Spatzen rücklings in die Wiese drückte und dessen Beinchen immer noch zuckten. Vögel scheinen mir im Unterschied von Katzen mit ihren Todesbiss, brutale Killer, die ihrem Opfer keinen schnellen Tod bereiten.

Fotogedanken-Exkurs: Wir können aktuell wieder überall die Meinungen zu den Sensorformaten der Kameras hören und das alles nur weil es zwei neue Semi-Professionelle Kameras für den kleineren MFT-Sensor gibt. Und vor allem die Firma Olympus hat in den letzten 18 Jahren werbemäßig alles getan um seine FT und dann mFT Systeme auf Profi-Niveau zu heben. Und dazu den Glauben in den Köpfen verankert, mFT lässt kleinere, leichtere und trotzdem sehr schnelle und professionelle Kameras und Objektive höchster Güte zu. Und seit etwa 6-8 Jahren hat man sich sogar speziell auf die Naturfotografen, Vogelfotografen eingeschossen, weil man mit Sport, Porträt und Event keinen Blumentopf gewinnen konnte.
Noch vor 4 -5 Jahren waren Olympus und Panasonic praktisch alternativlos, lautlos – sie boten den Einsatz vieler verschiedener Objektive mit vielen technischen Raffinessen an. Doch man war relativ unflexibel, im Telebereich sass man mit dem einzig guten Teleobjektiv auf 300 mm Brennweite und 600 mm Bildausschnitt fest und f:4 ist nicht wirklich lichtstark für 300 mm. Das Leica 2.8/200 mm mit Konvertern war da schon erheblich wichtiger und besser, kam aber zu spät, zumal bis heute noch keine Kamera mit gutem Sucher und leistungsfähigem Autofokus verfügbar war.
Die großen drei hatten zu lange gepennt und wurden dann spätestens 2017 von der A9 und 7RIII unsanft geweckt und damit begann auch MFT von Monat zu Monat immer uninteressanter zu werden. Mit der G9 wurden die Kameras vergleichbar groß und schwer wie Sony’s Vollformat und mit den ersten GM Objektiven fielen die Schwächen nicht weniger MFT-Objektive, die dagegen billig wirkten, aber teuer waren, auf. Nach dem Einbruch von FT, hat Olympus einfach bei vielen Objektiven gespart und Leica war mit den wichtigsten MFT Objektiven viel zu spät dran.
Auch die neuesten Sensoren von Sony haben nur ¼ der Fläche im oft günstigen 4:3 Verhältnis, im Vergleich zu KB-Vollformat. Und “nur” 20 MP oder sogar 25 MP (GH6) Auflösung. Die Kameras sind heute keineswegs mehr wesentlich kleiner oder leichter, denn auch diese Hersteller mußten erkennen, dass eine gute Kamera auch eine gute Größe und ein solides Gewicht brauchen. Hätte ich jetzt bei der Scene lieber eine OM-1 oder GH6 in der Hand gehabt, hätte mir das Vorteile gebracht, frage ich mich derzeit häufig.
Die Funktion Pre-Capture, also eine elektronische Vorauslösung, die sofort wieder überschrieben wird, so lange man die Fotos nicht speichern will, kann hier nützlich sein. Allerdings hält sie eine Scene nur 2-5 Sekunden fest und dann tritt eine Pause ein, vor allem wenn die Fotos als Bilddateien geschrieben werden. Wenn ich neben Bildrauschen in den letzten Jahren eins hassen gelernt habe, dann wenn meine Kamera Pausen macht, mich nichts einstellen und schon gar nicht auslösen oder gar Filmen lässt. Das ist immer der Punkt an dem mir Flüche zu jedem Hersteller einfallen.
Das Kameras nach einigen hundert Bildern im Serienmodus langsamer werden, damit kann ich noch leben, aber meine Sony oder auch meine Canon setzen praktisch nie ganz auf Pause und schreiben permanent Daten auf die Speicherkarte. Allerdings nur, wenn ich JPEG Dateien schreibe und keineswegs bei RAW, außerdem zwingt mich das vielgerühmte RAW-Dateiformat zum ständigen Neukauf von Computer-Hard- und Software. Ein gutes Bild ist ein gutes Bild und wenn die Kamera vorher sorgsam eingestellt und angepasst war, ist RAW in den meisten Fällen vermeidbar.
Also eine OM-1 mit 2.8/40-150 mm wäre letztlich selbst mit angesetztem Konverter nicht flexibel im Bildausschnitt, denn die 20 MP Sensorauflösung lässt allenfalls kleine Ausschnitt-Korrekturen zu. Ganz anders meine Sony mit 50 MP, die ich problemlos auf Faktor 1.5x umstellen kann und die auch danach noch später am PC deutliche Beschnitte zulässt.
Das ist für mich der Punkt, ich will und muß immer flexibel sein.
Alles Starre bremst mich aus und ist in meiner Praxis hinderlich: Fest integrierte Handgriffe, genauso wie unbewegliche Monitore, fest verzurrte Gurte nerven, keine Reserven bei der Auflösung, keine Reserven bei der Schreibgeschwindigkeit etc.
Es ist schon schlimm genug, dass ich zwar die Scene wie der Sperber auftaucht, den Spatzen schlägt und hinunter drückt und am Ende unerwartet plötzlich mit seinem gerupften Fleisch abhebt und verschwindet, nur vor meinem geistigen Auge sehen und hier nicht zeigen kann. Solche Aktion ist immer zu schnell, zu unerwartet, nur sehr wenige, glückliche, konnten sie je auch fotografieren oder Filmen. Und deswegen sind immer wir Fotografen das Limit – eine Kamera darf besser kein Limit sein.
Aber das sollen nur meine Gedanken sein – und kein schlechtreden von MFT, denn ich habe eine OM-1 vorbestellt und werde auch versuchen wieder an das 5.6/150-500 mm heran zu kommen – die Praxis ist besser als alle Überlegungen. Und wenn ich damit bei kurzen Salven gut zurecht komme, werde ich sie auch behalten, denn es gibt ja eben auch besondere Objektive wie 1.8/8 mm, 1.2/17 mm, 2.8/12-40 mm, 4.0/12-100 mm und andere, die ich nicht missen möchte und die manche Reise erst erträglich machen.

Also der Sperber trampelt endlose Minuten lang auf dem Spatz herum, bis er beginnt ihm Federn auszuziehen und schließlich den kleinen Kopf packt, um auch dort die kleinen Federn auszurupfen. Zum Glück dreht er sich doch noch und hält immer seinen Spatz fest. Meine Position kann ich nicht verändern und muß unbeweglich am offenen Fenster bleiben. Er weiß genau, dass ich da bin, aber verändern kann ich meine Position nicht mehr. Und trotzdem fliegt er dann unvermittelt mit seiner Beute auf und verzehrt sie an anderer Stelle. Auch das geschieht so schnell, das ich mit 400 mm Brennweite nicht schnell genug folgen kann.

20 Minuten vergingen bis der Sperber den Spatzen begannen zu rupfen – 20 Minuten in denen der Spatz langsam sein Lebenslicht verlohr.
45 Minuten dauerte es, bis der Sperber mit seiner Beute davon flog.

Und dazu dann wie mir scheint kompetenter Leserbrief:

Hallo Harry,
da hast Du ja ein “Sau-Glück” gehabt mit Deiner Sperber-Beobachtung. Und das auch noch mit der Kamera in der Hand – sowas ist ja quasi wie ein 6er im Lotto.
Du hast aber nicht nur mal wieder tolle Fotos gemacht, sondern auch gut beobachtet. Sperber gehören in die Gruppe der sog. “Grifftöter”. Diese Greifvögel töten ihre Opfer durch “Herumtrampeln” und durchbohren der kleinen Körper (und damit auch der inneren Organe) mit ihren langen, irre spitzen Krallen. Meist jedoch ist das Opfer schon durch den Aufprall tot oder zumindest betäubt. Bei Dir war dies offenbar nicht der Fall, daher dauerte es wirklich lange. Vom Gefieder her (und der Größe im Vergleich zum Spatz), glaube ich, war der Sperber ein Männchen und zwar ein vorjähriges, d.h. er war auch noch nicht so erfahren, wie ein adultes Tier, vielleicht ist dies mit ein Grund für den langen Tötungsvorgang.  Armer Spatz!

Bitte immer erst die Fotos per Klick im Monitorformat und mit dunklem Hintergrund vergrößern und dann mit klick auf den rechten Rand durchschauen – nur dann wirken sie.




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