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Filo Rings

24. April 2023
Die 50 mm Normal-Brennweite

Die 50 mm, die Normal-, die Standard-OBJEKTIVE werden immer wieder hochgejazzt.
Wenn ein Objektiv praktisch alle Kamera und Bajonett-Anbieter verbindet, dann ist es das 50 mm Objektiv.
Es wurde von Leica, Zeiss, Nikon, Canon, Minolta, Pentax, Olympus, Yashica, Contax, Konica, Fujica, Revue, Praktica, und vielen mehr hergestellt.
Mit verschiedenen Lichtstärken f:2.8 – f:2.0 – f:1.8 – f:1.7 – f:1.4 – f:1.2 – f:1.0 – f:0,95 versuchte sich hier jeder Anbieter auszutoben.

Damit meine ich nicht die üblichen 4 cm langen und 4 cm dicken, 200g leichten und gemütlichen 1.4/50 mm wie man sie aus den 70iger, 80iger und 90iger Jahren noch kennt. Deren optische Konstruktion sich oft nur durch die Vergütung unterschied. Und die trotzdem von Canon und Nikon bis zuletzt für Spiegelreflex  hergestellt werden.
Es gab einen Bruch, seit Erscheinen des OTUS 1.4/55 mm von Zeiss ist alles anders, seit dem sind 50er riesig, haben gewaltige blütenförmige Sonnenblenden, kosten leicht 1.000€ und wiegen schnell 1 Kilo.
Nach Zeiss folgte Sigma mit einem 1.4/50 mm ART neuester Bauform, lang, schwer groß und damit war der Hühnerstall offen und alle Hersteller kommen mit komplett veränderten 50 mm Objektiv-Rechnungen.

Ich habe meine ernsthafte Fotografie mit einem Pentax M 1.4/50 mm, ende der 70er  begonnen. Doch wenn ich damals schon eine Auswahl gehabt hätte, wäre meine Wahl sicher auf ein 2.0/85 mm oder 2.0/35 mm gefallen. Denn das 50 mm war weder Fisch noch Fleisch und einfach etwas langweilig normal. Das sehen die meisten Fotografen anders, wodurch sich wohl auch der heutige Neuheiten-Boom erklärt.
Begonnen hat alles im März 2008, Sigma präsentiert erstmals ein 50 mm Lichtstärke f:1.4 – denn Sigma will seine eigene Kameralinie stärken und dafür scheint ein 50 mm Objektiv unverzichtbar.
Während Canon, Nikon, Sony und Pentax oft noch alte Objektivrechnungen a la Gauß als Linsenkonstruktionen im Programm haben, treibt Sigma erstmals einen höheren Aufwand – mit Asphäre und 8 Glas-Elementen in 6 Gruppen. Das mündet in einem 505 g schweren, 8,5 cm dicken und 6,8 cm langem Glas-Pummel mit 77mm Filterdurchmesser. Erstmals wird auch eine Asphäre verwendet…
Es wird gekauft – ich fand es gemessen an der Leistung einfach schon überdimensioniert.


Zeiss kontert 2013 mit einem manuellen OTUS 1.4/55 mm und setzt mit einem 3500€ Preis eine neue Duftmarke. Stolze 12 Linsen in 8 Gruppen, davon 1 außergewöhnliche doppelseitige Asphäre und weitere 6 Spezialgläser mit anormaler Teildispersion. Das mündet in einem 970g Glasklotz, 14 cm lang und 9 cm dick. Es wird für Canon und Nikon-Bajonett angeboten. Viel zu schwer und ohne Autofokus fand ich es uninteressant, doch auch das wird hochgejubelt und gekauft. Für Filmer, Studiofotografen, Sammler und Technokraten ist es vielleicht eine spannende Konstruktion.
Mir gefällt die überschärfte Bildsprache nicht, eben typisch für Zeiss – es ist kein Objektiv, das meine Fotografie in irgendeiner weise weiter bringen könnte.
Nikon und Canon sehen sich das muntere Treiben gähnend an.
Wobei Nikon 2013 kurz erwacht und ein neues AF-S 1.4/58 mm präsentiert. Doch der AF fällt sehr langsam aus. Die Bildsprache ist hier wirklich fantastisch und es kann sich gut neben dem OTUS und dem Sigma behaupten. Das klassische Nikon AF-S 1.4/50 mm stammt aus dem Jahre 2008, seine optische Konstruktion aus 8 Linsen in 7 Gruppen ist neu.
Canon fühlt sich 2006 dazu berufen dem 1.0/50 mm L Glas-Monster ein moderneres 1.2/50 mm L folgen zu lassen. 8 Gläser in 6 Gruppen, 580g leicht, 8,6 cm dick und 6,6 cm lang.

Doch Sigma setzt 2014 noch einen drauf und führt das 1.4/50 mm ART mit 13 Glaselementen in 8 Gruppen ein. Erstmals werden SLD-Glas und mehrere Asphären verwendet. Die Naheinstellgrenze sinkt auf 40 cm und der Abbildungsmaßstab steigt auf 1:5.5.
Es bringt 815g auf die Waage, ist 10 cm lang und 8,5 cm dick und braucht eine riesige Sonnenblende. Dafür soll es auch 100MP Auflösung liefern können. Es hat Autofokus und steckt damit sogar das Zeiss Otus in die Tasche. Ich habe es nicht gekauft.

Pentax hat mit 3 handgefertigten Limited-Objektiven den Trend zu kompakten und extrem guten Objektiven mit Autofokus vorweg genommen, das 1.9/43 mm Limited finde ich bis heute bahnbrechend. Es ist scharf, klein, ausgesprochen schön zeichnend, unauffällig und hat die einzige echte Normal-Brennweite bezogen auf das Kleinbild-Format. Zwischendurch gab es ein 1.4/55 mm DA* – aber das bezog sich nur auf den Halbformatsensor und schattet am K1 Vollformat deutlich ab. Außerdem ist sein AF eher unsicher.
Das aktuell auch Pentax-Ricoh mit einem großen Glasklotz 1.4/50 mm * aufwartet, ist eher gruselig als stimmig.

Leica will da auch eine Referenz bieten, das Leica SL 1.4/50 mm Asph. ist für 4800€ erschienen. Allein der Preis dürfte da schon referenzlastig sein. Sein schlechter Abbildungsmaßstab von 1:10 ist leider leicatypisch und wenig praxisnah. Das Gewicht von 1065g bei 12,4 cm Baulänge und 8,8 cm Durchmesser und 82 mm Filterfassung sind einsamer Rekord. Zumal diesen einsamen Leistungen an dem schwachen 24 MP Sensor auch keine rauscharme Zukunft blüht. Womit dann wieder klar ist, dass Leica auch die SL wieder nur für eine Handvoll “Verrückte” produziert.

Wer im Reigen noch fehlt ist Tamron, Tamron ist ausgeschert und hat ein SP 1.8/45 mm VC als einziges mit Bildstabilisator präsentiert. Ein sehr gutes, sehr stimmiges Objektiv, das nur leider von der noch spannenderen Konstruktion SP 1.8/35 mm in den Schatten gestellt wird.
Nur Tokina bietet bisher kein 50iger an.

Also von Leica und Zeiss kann man sich auch hier nur veräppelt fühlen.

Ich sehe trotzdem, dass heute aktuelle 1.8/85 mm, 1.4/85 mm und 1.4/35 mm oder 2.0/35 mm viel befriedigender sind und mehr Kreativität zulassen. Ein lichtstarkes 50 mm hat bei mir keinen hohen Stellenwert und wenn ich sehe zu welchen schweren Glaskolossen sie sich entwickelt haben, nehme ich noch lieber ein 35iger (1.8 Tamron) oder 105er mit (1.4 Nikon).
Die Bastion der Kleinbild-Vollformat-Fotografen habe ich zuletzt Einsatz folgender DSLR-Objektive empfohlen:

CANON:
aktuelle AF-Auswahl: 1.2/50 mm L – 1.4/50 mm – 1.8/50 mm STM – 1.4/50 mm ART Sigma – SP 1.8/45 mm VC Tamron
Meine Empfehlung: 1.8/50 mm STM
Das Sigma ART ist mir zu groß und nicht so gewaltig schärfer als das 1.8/50 mm STM Canon, schon gar nicht an den Rändern. Ich habe das 1.2/50 mm L, doch die CR sind manchmal sehr lästig, es ist vor 10 Jahren entworfen worden und eine Neurechnung scheint unausweichlich. Wann endlich das uralte, schlechte 1.4/50 mm optimiert wird, steht in den Sternen.
Das Tamron ist eine interessante Alternative.

NIKON:
aktuelle AF-Auswahl:  1.4/50 mm G – 1.8/50 mm G – 1.4/58 mm G – 1.4/50 mm ART Sigma – SP 1.8/45 mm VC Tamron
Meine Empfehlung: 1.4/50 mm G (mit Bauschmerzen)
Ich würde mir am liebsten das 58 mm zulegen, aber sein AF ist so langsam, allerdings ist er bei den beiden preiswerteren Nikon-Konstruktionen kaum wirklich schneller. In dem schweren Sigma sehe ich keinen Vorteil, nur das Tamron könnte eine Alternative sein.

PENTAX:
aktuelle AF-Auswahl:  1.4/50 mm*
Meine Empfehlung: auf das 1.4/50 mm* warten
Sigma und Tamron bieten nicht für die Pentax K1 an – bescheuert. Pentax bietet effektive Bildstabilisierung für alle Objektive. Es könnten also auch ältere Pentax M, A, FA Objektive eingesetzt werden. Bisher eine unbefriedigende Notlösung.

SONY:
aktuelle AF-Auswahl: 1.4/50 mm – 1.4/50 mm Zeiss – 1.4/50 mm ART Sigma – SP 1.8/45 mm Tamron
Meine Empfehlung: 1.4/50 mm ART Sigma

SONY E-Mount:
aktuelle AF-Auswahl: 1.8/50 mm – 1.4/50 mm Zeiss – 1.8/55 mm Zeiss
Meine Empfehlung: 1.8/55 mm Zeiss

Wer dann eins dieser Normal-Objektive auch am APS-C-Halbformat nutzen möchte, dem sei bei Aufnahmen von Menschen und Tieren dringend ein Arbeitsabstand von mehr als 1m geraten, damit nicht die gleichen scheußlichen, verzeichneten Handy-Fratzen zu stände kommen. Ein 50 mm ist niemals ein Porträt-Objektiv!

Doch, das ist alles Schnee von gestern.
Für spiegelfreie Kameras gibt es fast ausschließlich teure, große 1.8/50 mm oder schweineteure 1.2/50 mm Konstruktionen.
Doch mit ein paar Abstrichen bei Mechanik und wenn man nicht zu festgelegt ist, auf 50 mm, gibt es trotzdem einige preiswerte und scharfe und weitgehend sehr zufriedenstellende Konstruktionen:
Nikon Z 2.0/40 mm
Canon RF 1.8/50 mm

Für Sony E werden tatsächlich über 40 verschiedene 50 mm Objektive angeboten. (7Artisans, TT-Artisan, Meike, Meyer-Optik, Vivitar, , Samyang, Rokinon, Voigtländer, Yongnuo, Kipon, Mitagon, Viltrox, Rollei, Zeiss – davon sind einige baugleich und werden nur unter anderem Namen auf verschiedenen Märkten angeboten)

Sony hat alleine schon 5 verschiedene und die meisten anderen sind aus China und haben nur manuellen Fokus.Sony selbst hat mit dem 1.8/50 mm ein sehr schwaches, das ich nie empfehlen würde, das 1.8/55 mm Zeiss hat mich auch nie gelockt, das 1.4/50 mm Zeiss ist auch veraltet. Das Macro 50 mm ist mir zu speziell, das 1,2/50 mm ist bei weitem das spannendste, aber teuer. Mal abwarten wie das 1.4/50 mm Sony GM ausfällt.