Roadmap – wo geht es hin im Objektivbau?
Nikon hat erstmals auf der Photokina eine Objektiv-Roadmap vorgelegt, wie es andere Hersteller (Fujifilm, Leica, Pentax) schon länger praktizieren – das ist für das neue Z-Objektivbajonett auch dringend geboten. Nur so haben Einsteiger und Aufsteiger eine Aussicht was sie erwartet, was in den kommenden 2 Jahren geplant ist.
Bei Nikon liest sich das nur nicht besonders innovativ, Nikon bleibt den Traditionen verpflichtet – es kommt eine f:1.8 Baureihe fester Brennweiten (wie es sie schon gab, nur optisch besser) und die gut bekannten Zooms mit f:2.8.
Irgendwie müssen sich die Hersteller gegen die Sigma Flut aus f:1.4 Art-Objektiven wehren und dem eigene Ideen dagegen setzen.
Nikon hat damit auch seine Strategie verraten, was kommt ist bekannt und sogar weiterhin absehbar.
2.8/14-24 mm – 4.0/14-30 mm – 2.8/70-200 mm sind gut aber nicht wirklich innovativ. Die 1.8er Festbrennweiten sollen sicher das bezahlbare Ende sein: 20 mm – 24 mm – 35 mm – 50 mm – 85 mm – das ist geschickt und macht Sinn, wenn hohe optische Leistungsfähigkeit daraus resultiert. Die Objektive bleiben damit kompakt und f:1.8 erlaubt deutlich kompaktere und leichtere Bauweise als die 1.4 Boliden von Sigma. Eine Reihe mit f:1.2 scheint mir nicht ausgeschlossen – da Nikon ja auch auf besonders lichtstarke Objektive für das Z-Bajonett hinaus will und ein 0,95/58 mm Noct manuell angekündigt hat.
Doch die Schattenseite ist, was würde ich davon kaufen? Allenfalls ein 1.8/20 mm oder 1.8/24 mm und wieder notgedrungen ein 2.8/14-24 mm – wenn kein 4.0/12-24 mm angeboten wird. Für mich ist das alles eben auch langweilig.
Lichtstärke:
Neue Rekorde wie Festbrennweiten mit f:1.2 und Zooms mit f:1.8 & f:2.0 sind eben nur Rekorde. Canon und Leica waren die ersten bei den festbrennweiten und Sigma hält mit aufregenden Zoom Konstruktionen dagegen (1.8/18-35 mm – 1.8/50-100 mm – 2.0/24-35 mm).
Die microFourThirds Systeme wehren sich mit f:1.2 Festbrennweiten (1.2/12 mm – 1.2/17 mm – 1.2/42,4 mm – 1.2/45 mm – 1.8/8 mm Fisheye) und demnächst mit einem f:1.7/10-25 mm Zoom. Dazu kommen Voigtländer f:1.2 Konstruktionen und unzählige chinesische manuelle Objektive mit verrückten Lichtstärken. Nur Tamron und Pentax halten sich auffällig zurück.
Sind diese Objektive denn auch praktisch?
Dicke, schwere und unhandliche Objektive sind nie praktisch. Und es ist zwar wunderbar, wenn der Sensor-basierte AF dann endlich mal präzise und schnell genug wird, um auch bei offener Blende die Details im Motiv auch zuverlässig zu treffen – doch wann braucht man das?
Die Sensoren haben alle Grenzen gesprengt, 1600 ISO bei 50 MP, 6400 ISO bei 42 MP und 12.800 ISO bei 24 MP liefern heute auf Kleinbildformat professionelle BQ wie sie noch nie zuvor erreicht wurde. Und es wird weitere Verbesserungen geben.
Was sollen wir dann mit f:1.2 FB und f:2.0 Zooms? Noch geringere Schärfentiefe als bisher schon? Das ist für wenige Motive und Lichtsituationen brauchbar oder auch nur sinnvoll. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe diese Objektive immer geliebt, doch wie oft kann ich so viel Lichtstärke (außer bei meinen bewegten Tierfaufnahmen und selbst da wäre mehr Schärfentiefe oft besser) einsetzen? Vermutlich wird auch ein eingebauter Graufilter bald in den Kameras realisiert werden müssen oder eben noch viel kürzere Zeiten durch einen voll elektronischen Verschluß oder eine teilweise und unterschiedliche Belichtung auf dem Bildformat. Aber noch ist das Zukunft und nein, es macht keineswegs jedes Bild „besser“ – vergrößerte Schärfentiefe ist meistens ein Gewinn im Bild.
Deswegen frage ich nach dem Nutzen der hochlichtstarken Objektive – ich denke der einzige Sinn besteht darin, zu zeigen was man kann und den Menschen das Geld zu entlocken. Das kann aber auch gewaltig ins Auge gehen, wenn die Konstruktionen so groß und gewaltig werden wie 4.0/11-24 mm oder 2.0/28-70 mm von Canon oder 1.8/14 mm – 1.4/20 mm – 1.4/85 mm von Sigma.
Ich denke – bisher ist die höchste Lichtstärke fast nur bei kleineren Sensoren wie mFT und Halbformat besonders wichtig und sinnvoll. Vor allem bei mFT wird damit stärkeres Bildrauschen vermieden und auch eine kurze Schärfentiefen-Zone erreicht. Aber diese Systeme wurden entwickelt um handlicher, leichter-kompakter zu sein und das sollten die Hersteller und Anwender nie vergessen.
Vollformat muß sich heute gegen Mittelformat und vor allem gegen die kleineren Sensorformate behaupten – ganz abgesehen von Smartphones.
Was wird CANON machen?
Canon trat mit drei ungewöhnlichen und einem bekannten Zoom für das neue RF-Bajonett an.
Ein 2.0/28-70 mm hat sicher keiner erwartet und ein 1.2/50 mm plus 1.8/35 mm Macro (1:2) zum Start auch nicht unbedingt.
Canon war immer innovativ im Objektivbau und heute müssen sie sich gegen Sigma, Tamron und alle anderen Kamera-Anbieter verteidigen und letztlich noch innovativer sein. Das zeigen Konstruktionen wie: T-SE 4.0/17 mm – 4.0/8-15 mm Fisheye – 4.0/11-24 mm – 2.8/65 mm Lupe – 4.0/400 mm DO – 5.6/35-350 mm – 4.0/200-400 mm x1.4x IS – die anschließend erst von anderen Anbietern realisiert wurden.
Canon kann auch jetzt seine Nachteile beim Sensor- und Kamera-Bau, durch innovative Objektive teilweise wett machen und das Interesse auf sich ziehen.
Canons Stärke liegt im Weitwinkelbereich, da schafft bisher kaum ein anderer Anbieter so gute BQ wie Canon.
Ich denke diese 3 innovativen RF-Objektive könnten neue Reihen eröffnen:
2.0/16-32 mm und 2.0/70-140 mm sowie weitere 1.2/24 mm – 1.2/35 mm – 1.2/85 mm sind nicht unwahrscheinlich.
Viele Patente kursieren, auch ein 1.4/14-21 mm und eine Wiederbelebung des Super-Zooms in Form eines 5.6/25-300 mm oder 4.5/30-350 mm sind möglich.
Und ich erwarte 4.0/500 mm und 4.0/600 mm DO Konstruktionen für RF – denn damit kann Canon sowohl mFT, Fuji als auch Sony eins auswichen und setzt sich vielleicht wieder an die Spitze der Super-Tele. DO hat bisher sonst nur Nikon als VC realisiert (4.0/300 mm & 5.6/500 mm).
Lassen wir uns nicht zu sehr von den Lichtstärken blenden – diese Objektive kosten ungeheuer viel und sind fett – wie das 2.0/28-70 mm L für 3.300€ (1430g) deutlich zeigt. Außerdem verzichtet Canon da wegen der komplexen Konstruktion auf den IS und wir müßten warten ob sich Canon nicht doch endlich mal zu IBIS entschließt – aber es sieht nicht danach aus. Der praktische Nutzen ohne Stativ ist eher gering – zumal jede 1.4/24 mm – 1.4/35 mm – 1.4/85 mm Festbrennweite diese Zooms optisch deutlich in den Schatten stellen wird.
Was sich wieder durchsetzen wird sind 3er Zoom-Reihen wie: 2.8/14-24 mm – 2.8/24-70 mm – 2.8/70-200 mm und 4.0/12-24 mm – 4.0/24-105 mm – 4.0/70-200 mm.
SIGMA?
Spannend wird auch wie Sigma antwortet – sie müssen die Gewichte reduzieren ohne die stabile Bauweise zu deutlich zu gefährden und sie müssen trotzdem weitere Innovationen bringen. Die Alleinstellung ihrer scheinbar beliebten Art-Objektive ist gefährdet, zumal sie in dieser Form an spiegelfreien Kameras keinen Sinn machen. Wie alle anderen auch, muß jetzt auch endlich Sigma bei null wieder anfangen, für kurze Auflagenmaße und größere Bajonett-Durchmesser.
Warum die neue Baureihe 1.4/16 mm – 1.4/30 mm – 1.4/56 mm von Sigma als Contemporary und nicht aufgrund der LichtSTÄRKE ART genannt wird – weiß wohl nicht einmal Sigma selbst zu beantworten!
Hingegen die lichtSCHWACHE Baureihe für Halbformat und mFT: 2.8/19 – 2.8/30 mm – 2.8/60 mm – heißt ART und wirklich logisch ist dann auch nicht, das es ein 1.4/30 mm ART gibt.
Ehrlich gesagt, finde ich aus meiner umfangreichen Erfahrung hohe Lichtstärken nur für kleinere Sensoren wichtig, für KB-Vollformat sind mir eine bessere Sensorleistung und IBIS, wie sie Sony und Nikon bieten, erheblich wichtiger. Ich traue Canon viel zu, doch ob ich je wieder mit Canon fotografieren muß um die beste Technik nutzen zu können, scheint mir seit Jahren sehr fraglich.