Olympus 3.5-6.3/12-200 mm Super-Zoom E-M1II
Wichtiger denn je, bei jeder Bewertung: Aus welchem Gesichtspunkt und mit welchen Erfahrungen bewertet die Person?
Ich teste seit 30 Jahren Objektive auf die Eignung für vorbestimmte Motive bei unterschiedlichen Licht- und AF-Situationen. Immer in der Praxis, immer auf der Suche nach dem besten, aktuellen Kompromiss. Perfektion existiert nur in der Fantasie und Objektive zeigen je nach Einzelstück und Kamerasensor sehr unterschiedliche Leistungen. Ich bin kein Fan von „Marken“ oder „Systemen“ sondern von der Fotografie an sich. Ich fotografiere mit allen Herstellern und habe mich niemals von einer Marke versklaven lassen.
Ich nutze Olympus seit der E-1 und mag die teuren Objektive und Kameras der Marke. Ich habe trotzdem zusätzlich immer Kameras & Objektive von Nikon, Panasonic, Canon, Fuji und Sony in Verwendung. Ich bin sehr häufig enttäuscht von Super-Zoom-Objektiven. Ein Vergleich mit lichtstarken Festbrennweiten verbietet sich und ist unfair. Aber zwangsläufig vergleicht man mit 2-3 Zooms die weniger Brennweiten-Bandbreite aufweisen und dann sehen diese Superzooms praktisch immer im Telebereich und an Bildrändern schwach aus, besonders die, die bisher von Sigma, Canon, Nikon, Sony und Tamron im Preisbereich unter 800€ angeboten werden. Oft ist auch ihr Fokus langsam und sie sind im Nahbereich kaum brauchbar (Tamron 18-400 mm z.B.).
Es gibt für mich nur zwei richtig beeindruckende Super-Zooms, die bis heute realisiert wurden:
Leica 4.5-5.6/14-150 mm FT
Olympus 4.0/12-100 mm PRO IS
Ich war sehr gespannt wo sich dieses extreme und lichtschwächere 12-200 mm einordnen würde.
Aus Erfahrung beurteile ich einige Dinge als störend und schwach, die anderen vermutlich gar nicht auffallen. Und die betreffen oft die mechanische Konstruktion – denn nur die gewährleistet eine dauerhafte Qualität.
Wir sind mit einem Zoom viel schneller am Motiv und das jonglieren mit Festbrennweiten entfällt. Dafür müssen wir eine erhebliche Einschränkung der Lichtstärke hinnehmen, bei Olympus bedeutet das anstatt f:1.2 nur meistens mit f:6.3 fast 5 Blenden Unterschied.
Genau genommen können wir nur 2 Blenden verwenden f:8 und f:11, denn schon ab f:16 verschlechtert sich die mögliche BQ durch Beugung wieder und f:3,5 & 6.3 sind für gleichmäßige Schärfe auch nicht ideal.
Auf den ersten Blick fehlen ein paar Dinge:
Ein Blendenring, der hier aber kaum benötigt wird, da genau genommen allenfalls 3 Stufen zur Verfügung stehen: 6.3, 8.0, 11. Einen Schalter um die Brennweite zu fixieren habe ich bisher nicht vermisst, da der Brennweitenbereich selten durchrutscht und nicht zu leichtgängig ist. Ein programmierbarer Schalter für Sonderfunktionen fehlt hier ebenfalls. Auf das angenehme zurückziehen des Fokusrings zum manuellen Scharfstellen müssen wir hier leider auch verzichten. Der Fokusring ist zwar etwas gedämpft, aber zum dauerhaften manuellen fokussieren lädt er nicht ein. Die Sonnenblende ist sehr kurz und eher ein leichter Schutz vor Berührungen mit der Frontlinse, als eine echte Hilfe gegen tiefergehende Lichtquellen. Ich würde sie mir robuster und vor allem fest integriert und ausziehbar, wünschen. Auch ein Stativadapter ist bei der leichten Konstruktion nicht vorhanden. Aber es besteht keine Gefahr für das Bajonett, wenn man die Kamera mit einem Stativ verbindet. Allenfalls die Verwacklungsgefahr kann zunehmen.
Ein solches Zoom wird entworfen um flexibel auf alle möglichen Motive reagieren zu können. Es kann weder ein Schärfeweltmeister, noch ein Bokeh-Champion sein und bei wenig Licht braucht man Festbrennweiten. Der Brennweiten-Bereich ist eigentlich perfekt. Selbst ein 24-400 mm im Viertelformat bietet schon alles was man meistens braucht – nur eben leider keine hohe Lichtstärke und es kann nicht wirklich klein und federleicht sein. Besonders die Tele-Brennweite bei f:6,3 geht etwas in die Knie. Es hat den geileren Brennweitenbereich, ist mit 460g und 10 cm Baulänge und 72 mm Filterdurchmesser problemlos und unauffällig tragbar und hat einen flotten AF. Nur besonders hohe Auflösung/Brillanz im Tele-Bereich sollten Sie von Objektiven dieser Art nicht erwarten.
Ich habe fast immer das Olympus 2.8/12-40 mm dabei, schon wegen seiner grandiosen Nah-Performance bis 1:1,7, noch öfter nutzte ich die letzten Jahre nur das 4.0/12-100 mm PRO IS. Deshalb hatte ich auch jetzt wieder beide Zooms dabei und die besten Festbrennweiten wie 1.7/15 mm, 1.2/17 mm, 1.8/25 mm, 1.2/45 mm – ganz ehrlich, nachdem ich mit dem 12-200 mm warm geworden war, habe ich bei tausenden Motiven zu 90% nur noch das neue Super-Reise-Zoom 12-200 mm verwendet.
Es bestand einfach keine Notwendigkeit das schwerere 12-100 mm mit seiner kürzeren Reichweite vorzuziehen und die Festbrennweiten kamen nur für gezielte Freistellungen, Bokeh-Aufnahmen und am späten Abend zum Einsatz.
Ich hatte zuletzt das 24-240 mm Sony an der Alpha 7RIII im Praxistest – es ist in fast allen Punkten dem Olympus Zoom unterlegen, selbst mit dem großen, hochauflösenden Sensor sind dann praktisch kaum je bessere Bildergebnisse möglich. Hier stimmt die Werbeaussage von Olympus: „Außerhalb jedes Vergleichs“ ausnahmsweise einmal sehr treffend – es gibt kein vergleichbares Objektiv, das so leicht, kompakt, schnell und so gut ist.
Optische Performance:
So toll wie es klingt, so durchmischt sollte seine optische Leistung normalerweise ausfallen. Doch in der Praxis an vielen verschiedenen Motiven, ist das einfach nicht so.
Ein Zoom erspart einem die Ausschnitte später in der Bildbearbeitung und selbst ein schlechtes, kontrastärmeres Zoom erlaubt bei gewünschtem Bildausschnitt immer bessere Fotos als ein nachträglicher Bildausschnitt, mit den enormen Verlusten an Bildauflösung!
Es ist etwas empfindlicher für Überstrahlungen, bei ganz geschlossener Blende kann es nicht mit schönem Blendenstern überzeugen, die CA-Farbfehler werden in den Kameras nicht immer perfekt korrigiert, die stärkere Verzeichnung und Vignettierung sind heute ebenfalls durch Software in der Kamera oder in der RAW-Bearbeitung ausgebremst. Es zeichnet im Weitwinkelbereich sehr scharf, wenn auch die Randauflösung naturgemäß etwas leidet, im mittleren Bereich von 35-100 mm ist es einwandfrei und danach lassen die Brillanz und Auflösung dann etwas zu wünschen übrig. Wenn Sie viele Details im Fotos sehen wollen, ist das 12-200 mm nicht immer das richtige Tele-Zoom für Sie und generell würde ich dann zu Vollformat oder Mittelformat greifen.
Aus meiner Sicht kommt es optisch mit 20 MP Auflösung sehr gut zurecht. Abblenden auf f:8 oder f:11 ist an diesem Zoom bei allen Brennweiten immer ratsam, bei f:16 kann es schon wieder weniger überzeugen.
Bei 100-200 mm Brennweite und geringem Abstand zum Motiv lässt sich trotzdem schön und wirkungsvoll freistellen.
Nahfotografie:
Leider ist die Einstellentfernung kontinuierlich zunehmend, was das Fotografieren in der Nähe etwas erschwert. Bei 200 mm Brennweite wird das Objektiv fast 17 cm lang (mit Sonnenblende 20 cm), der Abbildungsmaßstab beträgt dann 1:4.3 aus rund 70 cm Abstand zum Sensor oder 50 cm zur Frontlinse. Bei manchen Motiven ist auch interessant 12 mm zu verwenden und mit Maßstab 1:2.2 zu fotografieren, aus nächster Nähe.
Autofokus
Außer einem sehr leisen elektronischen Summen ist von der Arbeit des schnellen AF-Motors nichts zu hören. Schneller geht immer, aber an der neuesten Kamerageneration arbeitet der eingebaute AF-Motor ohne große Verzögerungen. Die Treffsicherheit ist bei Olympus nur bei ausreichend Kontrast und Helligkeit sehr gut. Am Abend, bei Sonnenuntergängen und kontrastarmen Motiven ist der AF an seinen Grenzen und das Objektiv einfach zu lichtschwach, da wünscht man sich sofort das 2.8/12-40 mm oder eine noch lichtstärkere Festbrennweite.
Die manuelle Fokussierung erfolgt nur elektronisch und lässt sich ganz gut vornehmen.
Was mich immer etwas nervt, wenn der Nahbereich nicht gleichbleibend vom Weitwinkel- bis in den Telebereich gleich bleibt. Das ist bei kaum einem Reise-Zoom der Fall und auch hier nicht. Es beginnt bei 1 cm ab Frontlinse (22cm ab Sensorebene) und erhöht sich dann kontinuierlich bis auf 38 cm ab Sonnenblende (70 cm bis Sensor) im Telebereich. Das bedeutet, der sensationelle Abbildungsmaßstab von 1:2.2 (bezogen auf Vollformat sogar 1:1!) wird nur bei 12 mm erreicht. Er wäre aber besonders wünschenswert bei 200-300 mm für Schmetterlinge und andere scheue Kleintiere.
Autofokusprobleme habe ich selten festgestellt, Sie sollten aber nie zu schnell zoomen und schnell auslösen, sonst sehen sie ein Verwischen im Bild.
Bildstabilisierung:
Das Objektiv ist nicht bildstabilisiert. Olympus hat einen genialen IBIS in viele Kameragehäuse integriert, besser ist allerdings die Verbindung zu einem zusätzlich stabilisierten Objektiv, wie das beim 12-100 mm PRO IS der Fall ist. Da bin ich von mFT verwöhnt. Sie sollten bei wichtigen Motiven und längerer Belichtungszeit Serienbilder machen, wenn eine Aufnahme bei wenig Licht im Telebereich unverwackelt gelingen soll.
Im VERGLEICH:
Alle diese Super-Zoom-Objektive unterliegen starken Kompromissen. Canon hat einst mit einem 35-350 mm Zoom begonnen und Tamron hat diese Art von Zooms bis heute weiter entwickelt. Sigma ist da eher unter „ferner liefen“ und kann nicht immer Tamrons Leistung erreichen. Pentax, Sony und andere Hersteller lassen beinahe offensichtlich bei Tamron fertigen und wagen solche Konstruktionen nicht selbst.
Canon hat hier bisher nur ein sehr schweres, langes Zoom von 28-300 mm für DSLR zu bieten.
Für mFT gibt es deutlich kleinere, leichtere Konstruktionen, die etwas besser zeichnen können, aber eben erst bei vergleichbar 28 mm beginnen (14-150 mm) und ein geniales Olympus 4.0/12-100 mm (24-200 mm) – dass bisher jeder Konkurrenz in allen Punkten die Show stielt. Vor allem seine Bildstabilisierung ist unvergleichlich.
Insgesamt ist es aber weit spannender, als alles was alle Konkurrenz sonst bietet: das 14-150 mm ist nicht mehr wirklich gut, das 14-140 mm P ebenfalls nicht, das 12-100 mm ist im Telebereich etwas besser und hat kaum Fokusprobleme bei weniger Kontrast. Aber bei Vollformat und Halbformat gibt es keine Konkurrenz, alle 16-300 mm, 24-240 mm, 28-300 mm sind gnadenlos unterlegen.
LICHT:
+ der Foto-Spaß schlechthin – alles in einem und unauffällig
+ sehr leicht und unvergleichlich kompakt
+ sauber verarbeitet
+ schneller, lautloser AF, 95% der Fotos sind scharf
+ noch strammer Zoom, rutscht selten durch
+ Abbildungsmaßstab bis 1:2.2 (12 mm) oder 1:4.3 bei 200 mm aus 50 cm Entfernung
+ gut sitzende, problemlose Sonnenblende mitgeliefert
+ gut abgedichtet gegen Spritzwasser und Staub
+ sehr wenig Vignettierung
+ Frontlinse gerade geführt, dreht nie mit
SCHATTEN:
– kein eigener IS Bildstabilisator
– sehr kostspielig
– etwas empfindlicheres Gehäuse
– fließende Naheinstellung von 0,22 m (Ww) bis 0,70m (Tele)
– keine Umschaltung AF/MF mit Ring
– kann Durchrutschen beim Tragen, keine Feststell-Taste
– etwas CA möglich
– keine schönen Blendensterne
– kein Beutel/Tasche mitgeliefert
– verträgt Filter nicht gut (Vignettierung, großer Durchmesser, optisch)
Tipp:
Vermeiden Sie besser den Einsatz von „Schutzfiltern“ – sie reduzieren die optische Leistung. Nutzen Sie immer die Sonnenblende zur Verbesserung der Bildaufzeichnung und zum Schutz!
Besonders geeignet für:
Reise-Fotografie in sonnenreiche Länder, für Alltags-Fotografie wenn genügend Licht vorhanden ist. Eingeschränkt durch die Tele-Auflösung auch für die allgemeine Fotografie – es wird nie zu schwer und erregt kein Aufsehen. Für Filmer kann es ein spannendes, sehr leises, Zoom sein, ein motorischer Zoom fehlt.
Eher ungeeignet für:
höchste Anforderungen, Szenen mit wenig Licht, Innenraum-Aufnahmen, reine Landschafts-, Tele- oder Makro-Fotografie. Für die reine Tier-Fotografie im Tierpark oder gezielte Porträts wäre es mir im Bereich 100-200 mm nicht hochauflösend und auch nicht lichtstark genug. Hier leisten Festbrennweiten oder auch das 100-400 mm Panasonic einiges mehr und Tele-Zooms am Vollformat noch viel mehr.
Geeignet für welche Kameras?
Für alle mFT-Kameras von Olympus und Panasonic mit Bildstabilisator – den meisten Sinn macht es an der gehobenen Kameraklasse wie E-M1II, E-M5II und G9.
Resümee:
Dieses Zoom-Objektiv zeigt wieder sehr deutlich, warum microFourThirds-Ausrüstungen ein klarer Gewinn für jeden Fotografen sind. Es ist konkurrenzlos für die meisten Motive. Ich finde das 3.5-6.3/12-200 mm ist das einzige interessante Super-Zoom am Weltmarkt für die Reise und den Alltag. 900€ sind ein sehr stolzer Preis für dieses eher lichtschwache Super-Reise-Zoom, doch ich möchte im Urlaub und zu meinem persönlichen Vergnügen nicht mehr ohne dieses Objektiv verreisen. Wenn ich heute gefragt werde, was möchtest du auf eine Reise mitnehmen, würde ich immer das 12-200 mm zuerst nennen, dazu die Panasonic G9 oder eben die E-M1II. Das 4/12-100 mm habe ich nur bei sehr extrem langen Zeiten vermisst, da es perfekter stabilisiert. Aber doppelt so nah heran Zoomen zu können ist immer ein Gewinn – vor allem da mFT oft keine starken Ausschnitte erlaubt.
Ich weiß nicht wie Olympus das immer wieder schafft, aber seit vielen Jahren setzen sie im Objektivbau konsequent und kontinuierlich die Best-Marken! Da verblassen in der Praxis selbst Leica und Sigma und Co erst recht.
Für mich müßte Olympus jetzt nur endlich vom Einschalter auf der falschen, linken Seite abrücken und einen deutlich besseren und schnellen Sucher finden und noch 1-2 Stufen am Bildrauschen weg kitzeln. Insgesamt ist die G9 die beste und ausgewogenste mFT-Kamera dieser Tage, die E-M1X finde ich technisch spannend aber haptisch komplett misslungen – Olympus ist an der Reihe schnell die M5 und M1 zu verbessern.
Optische Qualität: ******* (6/8 WW) ****** (5/8 Tele)
Mechanik: ****** (6/8)
Autofokus: ******* (7/8)
Bildstabilisierung: **** (4/8)
Preis-Wert: *** (5/8)
Spaß-Faktor: ******** (8/8)
Ich hoffe dieser Test war für Sie hilfreich bei der Auswahl des geeigneten Objektives für Ihre Kamera und freue mich über eine kurze Bestätigung.
Wenn sie diese Portfolio-Bilder vergrößern, können Sie erahnen was ich alles mit dem 12-200 mm auf Teneriffa im Mai 2019 fotografiert habe – die Fotos sind nur geschärft und verkleinert – aber noch nicht mit Nik-Filter behandelt. Ich versuche Ihnen in den kommenden Tagen einige fertige Fotos hier zu präsentieren.
Das ist eine Auswahl aus einigen tausend gelungenen Fotos.